Auf den Spuren des Komponisten

Anno 1Wenn man morgens die Hoteltreppe hinunter geht und an der Wand überraschend ein bekanntes Gesicht sieht, muss man sich schon mal kurz die Augen reiben, eilt dann aber, ganz begeistert über diesen schönen Zufall, zur Rezeption und sagt zur Dame des Hauses: Das ist ja Anno Schreier! Und sie erinnert sich auch sofort und gern an den sympathischen Composer in Residence, der hier einst logierte! Die Welt ist manchmal wirklich ein Dorf!

 

„altri pensieri“

Verdun Fort Vaux(Foto: Volker Blumenthaler, „Fort Vaux“, 2014)

 

 

 

 

Kommenden Montag ist Volker Blumenthaler zu Gast bei den Perspektiven Heilbronn. Ab 19:30 Uhr spielt der Komponist in den Städtischen Museen im Deutschhof eigene Werke für Violoncello solo, darunter den 2014 entstandenen Zyklus „altri pensieri“, der sich, begleitet von einem expressiven Fotoessay, mit der Schlacht bei Verdun beschäftigt.

 

Volker Blumenthaler2013Volker Blumenthaler zu Gast bei den „Perspektiven Heilbronn“

Am 23. März ist bei den „Perspektiven Heilbronn“ Volker Blumenthaler zu Gast. Und zwar sowohl als Komponist als auch als Cellist. Volker Blumenthaler spiel im 3. Perspektiven-Konzert eigene Kompositionen für Violoncello solo. Darunter den Zyklus „altri pensieri“ (MVN 53).

Städtische Museen Heilbronn, 3. Perspektiven-Konzert , 23.03.2015,  Beginn: 19:30 Uhr

Programm

Der Zorn verwirrt die Vernunft

Fredrik Schwenk über „Zweites Trio & Abgesang“

Zwischen dem ersten Klaviertrio, das in einem der ersten Konzerte der aDevantgarde bereits 1990 uraufgeführt wurde und in welchem sich erstmals eine von postavantgardistischen Konventionen befreite, von der Reduktion rhythmischen und intervallischen Materials gekennzeichneten Ästhetik und der Uraufführung des zweiten Klaviertrios im Mai 2011 in der Akademie der Schönen Künste in München liegen 21 Jahre. „Der Zorn verwirrt die Vernunft, auch wenn er deren Urteil folgt, aber er hilft zur raschen Tat.“ Dieses aus den quaestiones disputatae de malo entnommene Zitat des Thomas von Aquin trifft auf sicherlich auf beide Klaviertrios zu, so wie der Widerspruch formaler Strenge und energetischer Freiheit als Motto über vielen Werken der vergangenen 20 Jahre stehen könnte. Und dennoch ist das Material des zweiten Klaviertrios komplexer, das klassizistische Formmodell durchdrungener, die Energie des ersten, aber vor allem des letzten, in ein enges formales Korsett geschnürten Abschnitts berstender als die Steigerungswellen des älteren Werkes.

Wie auch das erste, so wurde auch das zweiten Klaviertrio unmittelbar nach der Uraufführung einer Revision unterzogen. Während jedoch im älteren Werk einige wenige Details verändert wurden, erhielt der formal unbefriedigend lange mittlere Abschnitt des jüngeren Werkes einen zentralen neuen Formteil. Aus der dreiteiligen wurde eine etwa zwanzig Minuten dauernde Gesamtanlage, die streng genommen jener fünfteiligen großen Liedform folgt, wie sie häufig in langsamen Sätzen später Kammermusikwerke von Schubert zu finden ist. Da es sich jedoch nicht um einen einzelnen Satz aus einer mehrsätzigen Gattung handelt, steht der formale Rahmen im Zeichen der Ver- bzw. Umklammerung des nachkomponierten Kernstücks, das dem spätklassischen Scherzotypus um 1800 wesensverwandt ist. Den inneren Rahmen des Scherzos bilden zwei lyrische Mittelteile, deren Harmonik von Ferne an eine Verbindung zweier Akkorde von Django Reinhardt erinnert, während der äußere Rahmen von zwei schnellen Abschnitten geprägt ist, die gegensätzlicher nicht sein könnten und doch beide ungeduldig, zornig aufbrausend einander ergänzen. Gerade wo der eröffnende Abschnitt energetisch nach vorne zu immer neuen Kulminationspunkten drängt, beginnt der Schlussabschnitt quasi unisono mit geballter Kraft und verpufft ins Leere, ins Offene, ins Weite, ohne jedoch tatsächlich dorthin zu gelangen.

Dieser Umstand macht den Abgesang notwendig. Der Beginn der Sarabande des Cellos mit seinen historisierenden Doppelgriffen lässt den letzten Abschnitt des Trios transitorisch erscheinen, als gelange man durch eine Art materialistisches Inferno hindurch zu neuem Material, das ganz aus den Bruchstücken des alten gewonnen werden konnte. Violine und Klavier sind zurückgeblieben, nur das Cello entwickelt aus dem lapidaren Akkordmaterial zwei Varianten – premier et deuxième agrément, bevor es hinaus schreitet ins Freie zu einer Sarabande en plein air. Mit dem dernier agrément von Ferne an die Intensität des vorangegangenen Trios erinnernd, verflüchtigt sich das Material, die Akkorde in Arpeggios aufgelöst und am Ende in vagen Flageoletts sich wie ein geruchloses Gas vollständig von selbst auflösend. Und so bleibt auch am Ende des Abgesangs der nicht greif- bzw. identifizierbare Eindruck des Körperlosen.

Hamburg, März 2015

Uraufführung des Trios am 19.05.2011 mit Anna Skouras, Johannes Gutfleisch und Volker Banfield (Trio) und Niklas Schmidt (Abgesang) in der Bayerischen Akademie der schönen Künste.

Auftragskomposition der Bayerischen Akademie der schönen Künste.

ZWEITES TRIO UND ABGESANG
für Violine, Violoncello und Klavier
ISMN 979-0-700344-08-5 / MVN 60 (Part.)
34,- EUR
Musikverlag V. Nickel, München
(erscheint in kürze)